Fehlsichtigkeit

Kurzsichtigkeit

Bei Kurzsichtigkeit (Myopie) wird das Bild der Umwelt nicht genau auf der Netzhaut abgebildet. Dies liegt meist daran, dass bei Kurzsichtigen das Auge länger gewachsen ist als bei Normalsichtigen, so dass das scharfe Bild vor der Netzhaut liegt. Je länger das Auge ist, desto höher ist die Kurzsichtigkeit. Entfernte Gegenstände können daher nicht mehr deutlich erkannt werden. Der so genannte Fernpunkt – also der entfernteste Punkt, der noch scharf gesehen werden kann – rückt bei kurzsichtigen Augen in die Nähe: bei -1,0dpt liegt der Nahpunkt in 1m bei -10dpt in 10cm. Näher liegende Gegenstände können allerdings ohne Sehhilfe noch scharf gesehen werden, weil die Strahlen hier noch korrekt auf der Netzhaut auftreffen.

Neues Wissen zur Kurzsichtigkeit

Weltweit lässt sich eine deutliche Zunahme der Kurzsichtigkeit feststellen, insbesondere im asiatischen Bereich. In einer im Koreanischen Militär durchgeführten Studie zeigt sich, dass fast alle (96,5%) der 19-jährigen Rekruten eine Brillenverordnung brauchen.  Im Vergleich zu den Nationen der westlichen Welt bei denen eine hohe Kurzsichtigkeit (definitionsgemäß Kurzsichtigkeit >6.0dpt) mit einer Häufigkeit von 2% auftritt, findet man die hohe Kurzsichtigkeit bei den koreanischen Rekruten mit 21.6%.

Unsere Kenntnisse über die Ursachen der zunehmenden Kurzsichtigkeit sind immer noch bescheiden. Noch wissen wir wenig darüber, wie wir Kurzsichtigkeit vermeiden können, und wenn, wie wir ein weiteres Fortschreiten verhindern können. Diese kurze Zusammenfassung wichtiger wissenschaftlicher Publikationen zum Thema Kurzsichtigkeit soll ihnen die gegenwärtigen Konzepte näherbringen.

Gemäß gut erhobener epidemiologischer Daten wissen wir, dass gegenwärtig 25-50% der Erwachsenen in der westlichen Welt und ca. 60-100% der ostasiatischen Erwachsenen an Kurzsichtigkeit leiden. Heute gibt es weltweit ca. 200 Mill. kurzsichtige Menschen und bis 2020 wird ein Anstieg auf 900 Mill. Kurzsichtiger erwartet. Vordergründig lenkt diese Statistik unsere Erklärung für diesen Trend in die Kurzsichtigkeit in Richtung genetischer Disposition, die man natürlich und traditionsgemäß immer als Ursache für die Kurzsichtigkeit ins Feld führen kann. Die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Brillen- und Kontaktlinsenkorrektur, aber auch der Augenlaserbehandlung werden in Zukunft immer bedeutungsvoller. Die internationale Agentur für die Prävention der Blindheit (IAPB) schätzt die jährlichen Ausgaben für Brille und Kontaktlinsen auf 202 Mill. US$ pro Jahr.  Die genetischen Ursachen für die Kurzsichtigkeit scheinen aber komplexer Natur zu sein. 68 Gene verteilt über alle Chromosomen wurden bisher identifiziert als mögliche Kandidaten für die genetische Theorie der Zunahme der Kurzsichtigkeit. Seitdem Genanalysen in großem Stil weltweit durchgeführt werden, scheint jedoch klar, dass es keine signifikanten Unterschiede diesbezüglich zwischen der asiatischen und europäischen Bevölkerung gibt. Eine große wissenschaftliche Überblicksarbeit aus dem Jahre 2005, die 300 Veröffentlichungen über das Thema Kurzsichtigkeit untersucht hat, stuft die Rolle der Vererbung eher als gering ein. Dies wird beispielsweise auch durch die Beobachtung gestützt, dass Menschen gleicher genetischer Herkunft in unterschiedlichen Regionen andere Merkmale entwickeln. Beispielsweise sind 70% der 18jährigen zugewanderten Inder in Singapur kurzsichtig, während in Indien, dem Ursprungsland nur ungefähr 10% der der gleichen Altersgruppe kurzsichtig sind. Die einfachste Erklärung hierfür ist, dass deutliche Umwelteinflüsse den genetischen Effekt übertreffen. Auch gibt es mehrere Untersuchungen an genetisch identischen Bevölkerungsgruppen auch China Nepal und Indien, die einen deutlichen Unterschied zwischen der kurzsichtigen Stadtbevölkerung und er weniger kurzsichtigen Landbevölkerung sehen. Seit der Jahrtausendwende rücken die Umwelteinflüsse in den Focus der wissenschaftlichen Bemühungen dem Effekt der zunehmenden Kurzsichtigkeit in der Weltbevölkerung auf die Spur zu kommen. Die wesentliche Quintessenz ist die Erkenntnis, dass die Lichtexposition von natürlichem Sonnenlicht beim Menschen in freier Natur dazu beiträgt Normalsichtigkeit zu erhalten, während der Aufenthalt im Wohn- oder Bürobereich die Kurzsichtigkeit fördert. Im Freien herrschen in Lux ausgedrückt Lichtwerte von 50-100.000 Lux, während im Wohn- und Bürobereich gerade einmal 50-500 Lux auf Auge und Netzhaut einwirken. Die verstärkte Einwirkung von Sonnenlicht fördert die Dopamin-abhängige Nervenleitung. Im Tiermodel ist Dopamin-abhängige Signalübertragung mit einer Hemmung des Achslängenwachstums der Augen verkoppelt. (http://www.segawa-dystonie.de/dopamin.html)

Achslängenwachstum bedeutet Zunahme der Kurzsichtigkeit. Daraus darf gefolgert werden, dass Kinder die sich im Freien aufhalten relativ geschützt sind von der Entwicklung einer Kurzsichtigkeit. Eine spezielle Studie hat diesen Effekt sogar mit statistischen Methoden geglaubt berechnen zu können und kam zu dem Schluss, dass jede zusätzliche Stunde pro Woche, die ein Kind im Freien verbringt das das Risiko für die Entwicklung der Kurzsichtigkeit um 2% senkt. Es gibt mehrere Erklärungsversuche für diesen beobachteten Effekt verringert auftretender Kurzsichtigkeit z. B. bei der Landbevölkerung ärmerer Nationen. Intensives Tageslicht reduziert die Pupillenweite, steigert die Tiefenschärfe wie beim Fotoapparat, reduziert das Unscharfsehen und verlangsamt damit das Augenlängenwachstum. Die Zeit in der freien Natur reduziert die Möglichkeit sich mit intensiver Naharbeit zu beschäftigen, was den bereits aus anderen Studien bekannten Effekt erklären könnte, warum Sport Kurzsichtigkeit verhindern kann. Eine weitere Theorie beschäftigt sich mit dem Einfluss des Gesichtsfeldes auf die Entwicklung der Kurzsichtigkeit. Draußen in der Natur nimmt das Auge eine große Tiefenschärfe wahr. Zentrales Sehen in der Makula (Sehgrube) und peripheres Gesichtsfeld erhalten ein gleichermaßen scharfes Bild. Im Innenraum, am Computerarbeitsplatz oder beim Lesen eines Buches ist das zentrale Bild (Makulafunktion) scharf gestellt, während das periphere Gesichtsfeld wegen der geringen Tiefenschärfe ein unscharfes Bild wahrnimmt, was die Entwicklung einer Fehlsichtigkeit vorantreibt. Zusammenfassend kommen alle Studien zu dem Schluss, dass Aktivität in der freien Natur und Sport gut ist für den Erhalt der Normalsichtigkeit und der Entwicklung einer Fehlsichtigkeit entgegenwirkt. Um den Effekt von Tageslicht und Kurzsichtigkeit wissenschaftlich besser greifen zu können sind neue Vergleichsstudien auf den Weg gebracht worden. Einige davon nützen dabei schon statt Fragebögen tragbare Lichtsensoren, die die Zeit des in der Natur verbrachten Lichteinflusses quantitativ messen sollen.  Das durchschnittliche Großstadt-Kind verbringt heute nur mehr noch maximal eine Stunde in der Woche beim Spiel auf der Straße, verbringt aber bereits durchschnittlich 7 Stunden am Tag beim Spiel vor Computerbildschirmen. Freizeit findet oft bei Innenbeleuchtung in Hallensportstätten Fitness-Centern oder Kneipen statt. Der Effekt ist absehbar, da es in der Natur der Sache liegt dass die Augen sich an die geforderte gute Sicht in die Nähe optimieren also kurzsichtig werden.

Die Verhütung von Kurzsichtigkeit hat in Singapur schon seit der Jahrtausendwende höchste Priorität. Deshalb ist die Datenlage zur Entwicklung der Kurzsichtigkeit dort besonders gut, insbesondere was Untersuchungen an kleinen Kindern angeht. Beispielsweise liegt das Vorherrschen der Kurzsichtigkeit bei 6-72 Monate alten Kindern chinesischer Herkunft bereits bei 11%. In den letzten Jahren wurden deshalb dort bereits medikamentöse Vergleichs- Studien unternommen, die die Wirkung von Atropin und anderen Medikamenten im Kindesalter nachweisen sollten. Atropin konnte als bisher einzige pharmazeutische Anwendung die Entwicklung der Kurzsichtigkeit stoppen. Allerdings schreitet die Kurzsichtigkeit nach Absetzen von Atropin wieder normal weiter fort. Man hofft deshalb mit extrem niedrig dosiertem Atropin 0.01% bessere Erfolge zu erringen, da es länger und nebenwirkungsfreier gegeben werden kann. Einmal eingetretene Kurzsichtigkeit ist irreversibel, da sie mit der Zunahme des Achslängenwachstums des Auges verbunden ist. Eingetretene Kurzsichtigkeit durch das Tragen von formstabilen Kontaktlinsen wieder rückgängig zu machen (Orthokeratologie) hat sich als Irrweg erwiesen, da die Effekte sofort wieder rückläufig sind, sobald die Kontaktlinsen nicht mehr getragen werden. Die Hornhaut nimmt dann wieder ihre vorbestehende Krümmung an. Weiche hochsauerstoffdurchlässige Kontaktlinsen haben gar keinen Effekt auf das Stoppen der Zunahme der Kurzsichtigkeit nachweisen können.

Die Situation ist nicht hoffnungslos. Bestes Beispiel für gelungene Verhütung der Zunahme der Kurzsichtigkeit ist auch wieder Singapur. Dort wurde mit restriktiven Aufklärungskampagnen der Öffentlichkeit über die Bedeutung von Unterbrechung der Computerarbeit, den verpflichtenden Sport und Aktivitäten in der freien Natur, sowie gesetzlich geregelter frühkindlicher augenärztlicher Untersuchung erreicht, dass der über Jahrzehnte beobachtete Trend der Zunahme der Kurzsichtigkeit in der Bevölkerung zum Stillstand gekommen ist. Andere Staaten werden folgen: In Berkeley/Kalifornien haben wir eine Spezialklinik zur Behandlung der Kurzsichtigkeit entdeckt: www.caleyecare.org/myopiaclinic-control

Literatur 

Morgan I, K Rose K, “How genetic is school myopia?”, Progress in Retinal and Eye Research, 24, 1–38 (2005).

Saw SMShih-Yen ECKoh ATan D Interventions to retard myopia progression in children: an evidence-based update. Ophthalmology. 2002 Mar;109(3):415-21; discussion 422-4; quiz 425-6, 443.

Sherwin JS, Reacher MH, Keogh RH, et al., “The Association between Time Spent Outdoors and Myopia in Children and Adolescents. A Systematic Review and Meta-analysis”, Ophthalmology 119, 2141–2151 (2012).

Jacobsen NJensen HGoldschmidt E, Does the level of physical activity in university students influence development and progression of myopia?–a 2-year prospective cohort study. Invest Ophthalmol Vis Sci. 2008 Apr;49(4):1322-7. doi: 10.1167/iovs.07-1144

Chia A, Chua WH, Wen L, Fong A, Goon YY, Tan D. Atropine for the Treatment of Childhood Myopia: Changes after Stopping Atropine 0.01%, 0.1% and 0.5% Am J Ophthalmol. 2013 Dec 3.

Gallagher R, Myopia Dystopia, Five questions that must be answered on the causes and consequences of near-sightedness. The Ophthalmologist  Dec 6th, 2013 Issue #0313

Stabsichtigkeit / Astigmatismus

Unabhängig von Kurz- oder Weitsichtigkeit, meist aber in Verbindung mit diesen Fehlsichtigkeiten, gibt es auch Verkrümmungen der Hornhaut: Die so genannte Stabsichtigkeit ist den Betroffenen eher als Astigmatismus oder Hornhautverkrümmung bekannt. Dabei ist die Oberfläche der Hornhaut nicht gleichmäßig wie eine Kugeloberfläche gekrümmt, sondern an verschiedenen Stellen unterschiedlich stark gewölbt. Bei diesem Brechungsfehler erscheinen punktförmige Lichtquellen dem Auge als Striche oder Stäbe, daher der Name »Stabsichtigkeit«.

Ursachen der Stabsichtigkeit / Astigmatismus

Bei den bisher beschriebenen Fehlsichtigkeiten liegt der Brennpunkt ein Stück weit vor oder hinter der Netzhaut des Auges, ist aber vorhanden. Bei der Stabsichtigkeit dagegen fehlt dieser Brennpunkt völlig, d.h., die parallel einfallenden Strahlen werden überhaupt nicht mehr in einem Brennpunkt vereinigt. Der Grund dafür liegt in der irregulären Brechkraft von Hornhaut oder Linse, z.B. durch Verletzung oder die genetische Veranlagung. Ist die Hornhaut nicht gleichmäßig gekrümmt, wird das Licht in der Horizontalen anders gebrochen als in der Vertikalen. So entstehen Verzerrungen des Bildes, das auf der Netzhaut abgebildet wird. Unabhängig davon, ob die Augen in die Nähe oder in größere Entfernung blicken – das Ergebnis ist immer ein unscharfes, verzerrtes Bild.

Die zwei Formen des Astigmatismus

Die Stabsichtigkeit ist meist erblich bedingt. Allerdings kann sie auch nach Verletzungen der Hornhaut oder der Augenlinse auftreten. Bei der regulären Stabsichtigkeit handelt es sich um eine besondere Art, in der die Hornhautoberfläche gekrümmt ist. Die einzelnen Meridiane der Hornhaut besitzen eine in sich gleichmäßige, aber untereinander verschiedene Krümmung, so dass jeder Meridian eine andere Brennweite hat. Deshalb nennt man diese Form der Hornhautveränderung auch Hornhautverkrümmung. Bei der irregulären Stabsichtigkeit dagegen ist die Wölbung der Hornhaut auch in jedem einzelnen Meridian nicht gleichmäßig. Die Folge: Auch die Brennweite innerhalb eines einzelnen Meridians ist nicht einheitlich.

Symptome der Stabsichtigkeit

Bemerkt wird die Stabsichtigkeit, wenn der Betroffene unter Kopfschmerzen leidet oder über Schwindelgefühl klagt. Doch ist es für den Astigmatismus typisch, dass die Anzeichen, unter denen er sich äußert, ganz unterschiedlich sein können. Beispielsweise sehen manche stabsichtige Menschen horizontale Linien scharf, vertikale Linien dagegen unscharf. Bei anderen Betroffenen verhält es sich genau umgekehrt. Wieder andere sehen nur diagonal verlaufende Linien völlig klar. Bemerken Sie eines der geschilderten Symptome bei sich oder greifen Sie etwa regelmäßig neben die Wäscheleine, sollten Sie demnächst einmal einen Augenarzt aufsuchen.

Hilfe durch Zylindergläser

Reguläre Stabsichtigkeit lässt sich gut durch eine astigmatische Brille – also eine Brille mit Zylindergläsern – ausgleichen. Die Gläser brechen hier das Licht nur in einer Richtung; ihre Achsenrichtung muss bei der Brillenverordnung in Winkelgrad angegeben werden.

Info

Die irreguläre Stabsichtigkeit kann auch nach einer Hornhaut-Erkrankung mit Narbenbildung oder nach Verletzungen der Hornhaut auftreten.

Praxistip: Selbst-Test eines irregulären Astigmatismus.

Schalten Sie in eine sonst völlig dunklen Zimmer in mindestens .5m Entfernung ein kleines Licht an oder blicken Sie in eine dunklen Neumond-Nacht auf einen hellen Stern. Die entstehende Strahlenfigur (“star burst”) sollte symmetrisch sein. Bei Asymmetrie besteht ein irregulärer Astigmatismus. Irregulärer Astigmatismus bedeutet aber nicht unbedingt dass Sie an Keratokonus leiden. Ein scheibenförmige Erhellung um diese Lichtquelle bedeutet „Halo“. Auch dieses Phänomen ist nicht unbedingt mit einem krankhaften Zustand gleichgesetzt werden. Sie können mit diesem Test auch den perfekten Sitz Ihrer Kontaktlinsen überprüfen. Bemerken Sie beim Tragen von Kontaktlinsen einen stärkeren, vielleicht sogar unregelmäßigeren Starburst als mit der Brille, empfehlen wir Ihnen den Gang zu Augenarzt. Daher wird bei Brillenrezepten der Korrekturwert der Gläser mit der Lage der Zylinderachse in Grad angegeben (beispielsweise: –1,5 dpt cyl. 0°, d. h., dass auf einer Null-Grad-Achse die Brechkraft des Auges um 1,5 Dioptrien zu stark ist).

Entscheidend ist die Früherkennung

Gerade bei dieser Form der Sehschwäche ist es ganz wichtig, dass sie früh erkannt und eine Brille getragen wird. Denn die Stabsichtigkeit kann in ihrem weiteren Verlauf dazu führen, dass der Betroffene schwachsichtig wird. Schon bei einer Stabsichtigkeit von zwei oder mehr Dioptrien sollten daher eine Brille oder Kontaktlinsen verordnet werden.

Eine Alternative zur Korrektur durch Zylindergläser in Form von Brillen oder Kontaktlinsen bietet eine Augenlaserbehandlung der regulären Stabsichtigkeit. Bei der irregulären Form kann eine wellenfrontgeführte oder topographiegeführte Laserbehandlung den irregulären Fehler meist ausgleichen oder zuminderst entscheidend bessern.

Vorteile

Der Vorteil für Astigmatiker, die zusätzlich kurz- oder weitsichtig sind: Die astigmatischen Gläser können auch mit Minus- oder Plusgläsern kombiniert werden.

 

Nachteile

Nur die reguläre Stabsichtigkeit ist mit einer Brille mit Zylindergläsern vollständig ausgleichbar. Die irreguläre Stabsichtigkeit lässt sich so nicht gut regulieren. Doch muss der Betroffene nicht auf eine gute Sehschärfe verzichten, denn Kontaktlinsen gleichen diese Sehschwäche gut aus – sie sind allerdings nicht immer verträglich.

 

Weitsichtigkeit / Hyperopie

Bei der Weit- oder Übersichtigkeit (Hyperopie) ist der Augapfel zu kurz geraten, so dass das scharfe Bild – oder der Brennpunkt – eigentlich hinter der Netzhaut liegt; tatsächlich treffen die Strahlen natürlich vorher auf. Doch die einfallenden Strahlen sind nicht vollständig vereinigt, wenn sie auftreffen, und liefern deshalb ein unscharfes Bild.

Ursachen der Weitsichtigkeit

Wie bei der Kurzsichtigkeit gibt es auch für die Weitsichtigkeit zwei Ursachen: zum einen die genannte Achsenhyperopie, bei der die Brechkraft des Auges normal ist, die Augenachse jedoch zu kurz; zum anderen die Brechungshyperopie, bei der die Augachse zwar die richtige Länge hat, die Brechkraft des Auges aber zu niedrig ist.

Man darf sich diese Veränderungen des Augapfels nicht zu auffallend vorstellen: Die Verkürzung bzw. Verlängerung der Augachse um nur einen Millimeter bewirkt bereits eine Zunahme des Brechkraftfehlers um drei Dioptrien!

Erkennen der Weitsichtigkeit

Geringfügig Weitsichtige können auf größere Entfernungen scharf sehen, haben aber Schwierigkeiten, Gegenstände in der Nähe deutlich zu erkennen.

Hochgradig Weitsichtige sehen in der Ferne und in der Nähe verschwommen und können dies nur zum Teil durch Anstrengung ausgleichen. Diese Überanstrengung der Augen führt schließlich zu Augen- oder Kopfschmerzen und zu schneller Ermüdung der Augen, so dass eine Brille unumgänglich wird.

Mögliche therapeutische Konsequenzen.

(F.Scheffel, E.Zrenner)

Bei etwa einem Viertel der Bevölkerung ist das Auge zu lang, und das Bild wird beim Sehen in die Ferne bereits vor der Netzhaut entworfen. Angesichts der sonst hervorragenden Abbildungseigenschaften der Optik des Auge im Bereich des Brennpunktes der Netzhaut (Foveola / Macula) fragt man sich wie es zu dieser Fehlsteuerung des Wachstums kommen kann.

Während der Entwicklung des Auges in den ersten Tagen nach der Geburt und den ersten Lebensmonaten und -Jahren erreicht das Auge eine beeindruckende Abstimmung von Brennweite und Achslänge des Auges, die besser ist als die Dicke einer Wimper (200 Mikron), nämlich im Bereich von ca.100 Mikron. diese Größe lässt sich abschätzen aus der Tiefenschärfe des Auges (0,25-0,4dpt) und der Refraktionsabweichung und der Brechkraftabweichung pro Millimeter Achsenverlängerung (2,7dpt/mm). Die Streuung der Brechkraftverteilung ist in den ersten sechs Lebensmonaten deutlich breiter als im Alter von 5 Jahren.

Ohne die Beantwortung der Frage, wie die Fehlsteuerung zwischen Achslänge des Augenapfels und Brechkraft der optischen Bauteile Hornhaut und Linse zu Stande kommt,  ist keine rational begründete Therapie der Kurzsichtigkeit möglich. Leider lieferten Untersuchungen am Menschen bisher keine eindeutigen Hinweise. Bei Tiermodellen können die grundsätzlichen Mechanismen jedoch aufgeklärt werden, da die Seherfahrung gezielt manipuliert werden kann, während die genetische Veranlagung wenig variiert.

Kurzsichtigkeit ist eins der häufigsten Augenleiden: je nach betrachteter Bevölkerungsgruppe sind in Europa und den USA 20-60 % der Bevölkerung betroffen. In fernöstlichen Industrienationen liegt die Häufigkeit an den Universitäten dagegen über 95%. Gleichzeitig sind  aber die Ursachen über viele Jahrzehnte unklar geblieben. Kurzsichtigkeit zeichnet sich dadurch aus, dass das Auge in Verhältnis zur Brennweite der Hornhaut (Cornea) und Linse zu lang ist. Als Folge entsteht das Bild entfernter Objekte vor statt auf der Netzhaut. Die Abbildung ist unscharf. Gegenstände in der Nähe können dagegen ohne zusätzliche Naheinstellung (Akkomodation, sie durch den im Auge befindlichen Ziliarmuskel vermittelte verstärkte Linsenkrümmung ) scharf gesehen werden. Insofern hat Kurzsichtigkeit den Vorteil, daß keine Naheinstellungsleistung für Tätigkeiten in der Nähe erforderlich werden, was besonders im Alter nützlich werden kann, wenn die Naheinstellung versagt (Altersweitsichtigkeit, Presbyopie). Kurzsichtigkeit wird durch das Vorsetzen von Streulinsen (Brille oder Contaktlinse) oder durch Hornhautabflachung mit dem Excimer-Laser korrigiert; Streulinsen verlängern die Brennweite des Auges, so dass die die Abbildungsebene wieder mit der Netzhautebene zusammenfällt. Außer, dass Brille und Kontaktlinse gewisse kosmetische Einschränkungen darstellen sind Komplikationen bei Kurzsichtigkeit selten, sofern sie unter etwa 6 Dioptrien (dpt) bleibt (etwa 2mm Augenachsenverlängerung). Bei höheren Graden der Kurzsichtigkeit kommt es aber gehäuft zu Komplikationen, die zur Blindheit führen können: Das Risiko für “grünen Star” (Glaukom) ist verdoppelt, das für “grauen Star” (Katarakt) 2-5mal so groß. die Gefahr der Netzhautablösung ist verzehnfacht. Ähnliches gilt auch für das Risiko einer schweren Durchblutungsstörung am Brennpunkt (Macula) des Auge (chorioretinale Degeneration), die zwar nicht zur Blindheit, jedoch zu ebenfalls extrem behindernden Leseunfähigkeit führen kann. In den USA ist Kurzsichtigkeit der siebenhäufigste Grund für Blindheit, in Indien der zeithäufigste. In asiatischen Ländern ist sie die zweithäufigste Ursache für Sehbehinderung.

Die Stärke der Kurzsichtigkeit ist mit dem Alter ihres ersten Auftretens korreliert: je früher das Entstehungsalter, desto stärker entwickelt sich die Kurzsichtigkeit. Kinder, die im ersten Lebensjahr mit Kurzsichtigkeit ins Leben starten, zeigen gute Tendenzen durch Wachstumsanpassung diese Brechkraftabweichung bis zum 8.Lebensjahr auszugleichen. Sie kehren jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Kurzsichtigkeit zurück. Die Geschwindigkeit, gemessen in Dioptrien/Jahr mit der sich die Brechkraft der Normalsichtigkeit annähert ist proportional zum anfänglichen Brechkraftfehler. Dies spricht für einen regelkreisgesteuerten Wachstumsmechanismus, der bei einzelnen Personen wahrscheinlich sogar ein ganzes Leben lang aktiv bleibt. Dafür sprechen viele Beispiele einer erst im Erwachsenenalter einsetzenden Kurzsichtigkeit.

Hornhautverkrümmung (Astigmatismus) ist im ersten Lebensjahr oft ausgeprägt (30% haben über 1dpt), nimmt dann aber stark ab. Kinder mit einer Weitsichtigkeit von mehr als +5dpt zeigen wenig Tendenz ihrer Fehlsichtigkeit durch Wachstum entgegenzusteuern. Ungefähr zwischen +5,0 und+3,0dpt beobachtet man eine langsame Tendenz, aber keine Einfluss darauf, ob eine Brille verordnet wurde oder nicht. Bei Kindern mit weniger als +3,0dpt Weitsichtigkeit nimmt die Weitsichtigkeit umso schneller ab, je höher der anfängliche Wert war, d.h. der Wachstumsregelkreis kann völlig intakt sein.

Generell gilt, dass die Kurzsichtigkeit umso höhere Endwerte erreicht, je früher sie begonnen hat. Die besten Vorhersagen können im 8.Lebensjahr abgeleitet werden, wenn die Kinder bei weitgestellter Pupille in der Ruhestellung der Scharfeinstellung (Cycloplegie) untersucht werden. Wenn zu diesem Zeitpunkt ein Brechkraft von mehr als +0,75sph vorlag, war das Risiko kurzsichtig zu werden, unter 4%. Bei +0,50sph waren es 9% und bei +/-0sph (Normalsichtigkeit/Emmetropie) war es 39%.

Angesichts der Häufigkeit und Tendenz der Kurzsichtigkeit, sich bis zur Lebensmitte weiter zu entwickeln, besteht Bedarf an Ursachenforschung, die zu echten Vorsorgemaßnahmen und Behandlungsmöglichkeiten führen sollen. Gegenwärtig gibt es noch keinen allgemein anerkannte und rationale begründete Heilung.

Trennung genetischer und umweltbedingter Einflüsse:

Ursachenforschung an der Kurzsichtigkeit wurde und wird beim Menschen stets dadurch erschwert, dass ihnen eine genetische und eine Umweltkomponente beteiligt sind. Die Trennung dieser beiden Faktoren ist beim Menschen nicht möglich, da sich gezielte Experimente (wie Fehlkorrektur ) aus ethischen Gründen verbieten. Die Existenz einer angeborenen Komponente lässt sich daraus ersehen, dass die Kinder zweier kurzsichtiger Eltern von Anfang an größere Augäpfel haben und dass die Wahrscheinlichkeit , kurzsichtig zu werden, signifikant größer als bei normalsichtigen Eltern. Es besteht kein Zweifel, dass die Erbgutveranlagung eine wichtige Rolle spielt. Das Risiko für ein Kind, kurzsichtig zu werden, ist siebenmal so groß wenn beide Eltern kurzsichtig sind (30-40%), zweimal so groß wenn ein Elternteil kurzsichtig ist (20-25%), gegenüber einem absolutem Risiko von 10-15% wenn kein Elternteil kurzsichtig ist.

Auf der anderen Seite steht der Einfluss von Seherfahrung auf die Entwicklung der Kurzsichtigkeit außer Frage: Es besteht eine “starke, bemerkenswert konsistente, und dosisabhängige  Korrelation zwischen Ausbildungsstand und Häufigkeit der Kurzsichtigkeit”, und es gilt als gesichert, dass eine feste Beziehung zwischen Lesen und Kurzsichtigkeit besteht. Dafür spricht unter anderem die Beobachtung, dass sich die Kurzsichtigkeit während der Schulzeit schneller entwickelt als in der Ferienzeit.

Nicht abzuleiten ist allerdings eine feste Beziehung zwischen Intelligenz und Kurzsichtigkeit. Aus diesen Beobachtungen läßt sich auch noch nicht schließen, dass das Auge die extrem genaue Abstimmung seiner Länge auf die Brennweite (etwa 0.1mm Toleranz) durch Analyse seines Netzhautbildes und Erkennung der Lage der Bildebene leistet. Dieser Nachweis blieb Experimenten am Tiermodell vorbehalten. Hier ist eine klare Trennung von erblich festgelegter und Umweltkomponente möglich, da die Seherfahrung gezielt verändert und die Brechkraftentwicklung (Refraktionsentwicklung) und das Augenwachstum daraufhin präzise vermessen werden können.

Quellen:

F.Schaeffel, E.Zrenner, Steuerung des Augenlängenwachstum durch Sehen, Dt.Ärztebl 1997-,94:A1121-1128 (Heft 17).

F.Schaeffel, Das Rätsel der Myopie, Ophthalmologe 2002, 99:120-141